Nur selten kann, da sein Arbeitsbereich so umfangreich ist, der Präsident der Gebietskirche Süddeutschland, Bezirksapostel Michael Ehrich, Gottesdienste in kleineren Kirchengemeinden durchführen. Umso größer war die Freude bei den Glaubensgeschwistern, mit denen er am Mittwochabend, 20. März, Gottesdienst feierte: Er war zur Gemeinde Winnenden (Kirchenbezirk Stuttgart-Bad Cannstatt) gekommen.
Apostel Jürgen Loy, Leiter des Apostelbereichs Stuttgart, zu dem der Kirchenbezirk Bad Cannstatt gehört, und der zuständige Bischof Georg Kaltschmitt waren in seiner Begleitung.
Als Grundlage für die Predigt verwendete der Bezirksapostel das Bibelwort 1. Korinther 2,14: "Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden." Zu einem Predigtbeitrag rief er den Bischof und den Apostel.
In seinen Ausführungen stellte der Bezirksapostel den "natürlichen Menschen", der dem Irdischen verhaftet sei und kein Verlangen nach den Gottes Gaben habe, dem "geistlichen Menschen" gegenüber, der sein Leben unter die Regentschaft des Heiligen Geistes stelle. Die Entwicklung zum geistlichen Menschen gehe aber nicht automatisch, es gelte vielmehr, sich darum zu bemühen, dem Heiligen Geist Raum zu geben. Auch nannte er einige Punkte, die aus geistlicher Sicht anders beurteilt werden: Zum Beispiel sei für den "geistlichen Menschen" die Gemeinde nicht eine "Interessengemeinschaft", sondern die "Gemeinschaft mit Brüdern und Schwestern" – das zeige sich schon in der Anrede, die nicht Floskel sei. Auch das Heilige Abendmahl stelle nicht eine fromme Zeremonie dar, sondern bedeute engste Gemeinschaft mit dem Herrn im Empfang von Leib und Blut Jesu.
Zur Zukunftserwartung führte er aus, der "natürliche Mensch" habe Angst vor der Zukunft; er wisse nicht, was morgen komme, sehe dunkle Wolken am Horizont und fürchte den Tod. Er appellierte: "Wir wollen die Zukunft geistlich beurteilen! Dann steht für uns im Vordergrund: Der Herr kommt!" Erwartungsvoll und freudig blicke der "geistliche Mensch" daher in die Zukunft.
Winnenden hat eine traurige Bekanntheit erhalten, weil sich dort am 11. März 2009 der Amoklauf eines 17-Jährigen ereignete. Dieser tötete in der Winnender Albertville-Realschule und auf seiner Flucht nach Wendlingen 15 Menschen und dann sich selbst. Unter den Opfern war auch eine neuapostolische Referendarin. Der Bezirksapostel sprach im Gottesdienst – fast genau vier Jahre nach der furchtbaren Tat – das leidvolle Geschehen an. Mit der Gemeinde gedachte er bei der Abendmahlsfeier der Gewaltopfer und auch des Täters und spendete das Heilige Abendmahl auch den Verstorbenen. Zwei Amtsträger, der Vorsteher der Gemeinde Winnenden und der Vorsteher des Kirchenbezirks, nahmen dabei stellvertretend Leib und Blut Christi entgegen.
Biblischer Ausgangspunkt für die Sakramentsspendung für Verstorbene ist 1. Korinther 15,29: In Korinth wurden Lebende für Tote getauft. Diese Praxis ist von den Aposteln der Neuzeit wieder aufgenommen worden. Heiliges Abendmahl wird in den Sonntagsgottesdiensten, die der Stammapostel – der höchste Geistliche in der Neuapostolischen Kirche – und die Bezirksapostel durchführen, nach der Feier des Heiligen Abendmahls mit der Gemeinde auch Verstorbenen gespendet. Dass Bezirksapostel Ehrich dies nun im Gottesdienst am Mittwoch tat, zeigt, wie sehr der 11. März 2009 nach wie vor bewegt.