Interview mit Apostel Volker Kühnle, Neuapostolische Kirche Süddeutschland
Er ist Leiter der neuapostolischen Delegation für die offiziellen Gespräche mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg: Volker Kühnle, 49 Jahre alt und seit 1990 im Apostelamt. In der Gebietskirche Süddeutschland ist er u.a. für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, außerdem ist er Vorsitzender der Projektgruppe "Ökumene", die Stammapostel Fehr eingerichtet hat.
GlaubensKultur: Apostel Kühnle, würden Sie uns kurz erzählen, wie Sie zu Ihrem ökumenischen Engagement gekommen sind?
Apostel V. Kühnle: In meiner Funktion als Gesamtbeauftragter für Öffentlichkeitsarbeit in der Gebietskirche Süddeutschland hatte ich seit 1989 verschiedene Kontakte auch mit Vertretern anderer Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Aus dem dabei stattfindenen Dialog kam es schließlich zu den offiziellen Gesprächen mit der ACK Baden-Württemberg. Im Lauf der Zeit habe ich auch einen persönlichen Bezug zu diesem Thema entwickelt.
GlaubensKultur: Hatten Sie eigentlich schon 1998 einen Auftrag des Stammapostels, das Gespräch mit den Mitgliedskirchen des ACK zu suchen, oder war das "nur" im Rahmen Ihres Aufgabengebietes Öffentlichkeitsarbeit?
Apostel V. Kühnle: Die seit 2001 laufenden offiziellen Gespräche mit der ACK Baden-Württemberg führte ich als Leiter unserer Delegation von Anfang an mit ausdrücklicher Zustimmung des Stammapostels.
GlaubensKultur: Wie haben Sie die ersten Begegnungen mit den großen Kirchen erlebt?
Apostel V. Kühnle: Es war auf beiden Seiten zunächst eine gewisse Zurückhaltung - wohl bedingt durch die historische Entwicklung - spürbar, die sich jedoch sehr schnell in eine sehr offene, konstruktive Dialogatmosphäre wandelte, die auch die äußerst sachliche Aussprache über unterschiedliche Glaubensauffassung und theologische Wertungen ermöglichte.
Glaubensüberzeugung "frei von Ängsten und Zwängen"
GlaubensKultur: Wie erklärt sich aus Ihrer Sicht unsere traditionell ablehnende Haltung gegenüber anderen christlichen Glaubensgemeinschaften?
Apostel V. Kühnle: Sicherlich war die Haltung unserer Kirche über Jahre hinweg aus der historischen Entwicklung heraus der ökumenischen Bewegung gegenüber eher ablehnend, weniger jedoch anderen christlichen Glaubensgemeinschaften gegenüber. Unsere Glaubensüberzeugung, aber auch manche sehr politischen Debatten und Entscheidungen in der ökumenischen Bewegung und deren Wirkungen nach außen, insbesondere in den 1960er und 70er Jahren, unterstützten unsere sehr starken Vorbehalte gegenüber der ökumenischen Idee.
GlaubensKultur: Nun war diese Zeit ja auch innerkirchlich eine schwierige: man mußte das Ausbleiben der Parusi, die ja durch Stammapostel Bischoff quasi verheißen war, überwinden. - Wie bewerten Sie gerade diese Zeit ab 1950?
Apostel V. Kühnle: Diese Jahre waren bei uns geprägt durch eine sehr starke Konzentrierung des einzelnen Gläubigen auf das Ziel unseres Glaubens: die Wiederkunft von Jesus Christus. Damit verbunden war auch eine überaus starke Förderung und Prägung der Gemeinschaft nach innen. Ich wünschte mir weiterhin eine derart lebendige und von der Naherwartung Jesu geprägte Glaubensüberzeugung unserer Glaubensgeschwister, jedoch frei von Ängsten und Zwängen, wie sie damals da und dort doch leider aufgetreten sind.
GlaubensKultur: Wenn sich nun die Haltung unserer Kirche gegenüber anderen christlichen Gemeinschaften allmählich ändert, nun sogar schon das Taufsakrament einer anderen Kirche anerkannt wird - wie kann man das älteren Geschwistern verständlich machen?
Apostel V. Kühnle: Es erscheint schlichtweg nicht nachvollziehbar, einerseits von anderen als christlichen Kirchen und Gemeinschaften zu sprechen, andererseits deren Mitgliedern das Christsein aber dadurch abzuerkennen, dass deren Wassertaufe nicht anerkannt wird. Hier besteht Klärungsbedarf, auf den wir in den Gesprächen mit der ACK hingewiesen haben. Diese Thematik und ihre Vermittlung in den Kreis unserer Amtsträger und Glaubensgeschwister hinein ist sicherlich eine besondere Aufgabe.
Mit dem Begriff "Welt" sorgfältiger umgehen
GlaubensKultur: Wie gehen Sie mit der traditionellen Differenzierung: wir vs. "die Welt" um? Sind wir mittlerweile tatsächlich "verweltlicht"? Warum wollen wir überhaupt etwas besonderes sein?
Apostel V. Kühnle: Sie greifen hier ein Thema auf, das längst ausgestanden ist. Bereits vor Jahren wurde hierzu verschiedentlich Stellung genommen, z.B. in der Zeitschrift "Unsere Familie" im Artikel "Drinnen und Draußen" sowie in der Rubrik "Lehre und Erkenntnis", wie auch in den "Leitgedanken zum Gottesdienst". Der Begriff "Welt" hat eine Mehrfachbedeutung: Zum einen wird darunter Gottes umfassende Schöpfung verstanden, zum andern die "finstere Welt ", deren Herrscher der Satan ist (vgl. Joh. 12). Mit dem Begriff "verweltlicht" ist in diesem Zusammenhang in erster Linie ein schwindendes Interesse an göttlich ewigen Dingen gemeint, verbunden mit einem zunehmenden Interesse an irdischen Gütern. Es ist nicht zu leugnen, dass mit dem Begriff "die Welt" auch in unserer Kirche z.T. sorgfältiger hätte umgegangen werden sollen; Schwarz-Weiß-Kataloge mit Verhaltensvorschriften sind dabei nicht dienlich. Stammapostel Urwyler hat bereits im Jahr 1985 den Begriff der "Eigenverantwortung" als Maßstab für unser Entscheiden in den Mittelpunkt glaubensbewußten Handelns gerückt. Wer sich danach ausrichtet, wird nicht "verweltlichen", d.h. wird sich nicht im bloßen irdischen Streben verlieren, sondern sich bewußt bleiben, dass "diese arme Erde nicht unsere Heimat ist". Gerade darin zeigt sich dann das in gewisser Weise Besondere: Unser Glaubensziel - die Erfüllung der gegebenen Verheißung der Wiederkunft Jesu Christi und die Heimholung der Braut Christi - lehrt uns, bei aller Pflichterfüllung im Irdischen die Bereitung der Seele für diesen Augenblick nicht zu vernachlässigen.
GlaubensKultur: In den Gesprächen mit der ACK stellte sich heraus, dass der einzige Knackpunkt auf dem Weg zur Ökumene die ausschließliche Verknüpfung der Geistesverleihung an das Apostelamt ist. War Ihnen eigentlich bewußt, dass dadurch den anderen Kirchen das "Kirchesein" abgesprochen wird?
Apostel V. Kühnle: Das Thema "Kirchesein" bedarf sicherlich noch der vertieften Erörterung.
GlaubensKultur: Welche Bedeutung hat das Sakrament der Versiegelung für Sie?
Apostel V. Kühnle: Nach unserem Glaubensbekenntnis erlangt der Gläubige durch dieses Sakrament den Heiligen Geist und somit die Gotteskindschaft, verbunden mit dem "Anrecht zur zukünftigen Herrlichkeit" ( vgl. Röm. 5, 2).
GlaubensKultur: Nach dem derzeitigen Stand unserer Auffassung: weht der Geist nun "wo er will" oder nicht?
Apostel V. Kühnle: Daran gab es meines Erachtens zu keiner Zeit Zweifel, eben so wenig wie gerade durch die erneute Berufung von Aposteln das Wehen des Geistes eine besondere Qualität im Sinne der Bereitung auf die verheißene Wiederkunft von Jesus Christus erhielt.
GlaubensKultur: Entspricht es noch unserer Auffassung, dass an der Ersten Auferstehung nur neuapostolische Christen teilnehmen?
Apostel V. Kühnle: Hierzu verweise ich auf die Ihnen ja offensichtlich vorliegende Antwort unseres Stammapostels aus dem Jahr 1998: "Können auch nicht-versiegelte Seelen am Tag des Herrn dabeisein? - Nach unserer Erkenntnis sieht die göttliche Ordnung für die Wiederkunft Christi das Kindschaftsverhältnis – gegründet auf der Wiedergeburt und einem würdigen, Gott wohlgefälligen Lebenswandel – vor. Das heimholende Wiederkommen Jesu ist jedoch eine souveräne Entscheidung Gottes, ebenso wie die Entscheidung darüber, wer dabeisein wird."
GlaubensKultur: Welche Bedeutung würden Sie sich für das Stammapostelamt zukünftig wünschen?
Apostel V. Kühnle: Dieselbe wie der Stammapostel sie heute hat: Er ist Erster in der Aposteleinheit und höchste geistliche Autorität.
Es geht nicht um einen Beitritt
GlaubensKultur: Viele Amtsträger in den Gemeinden vor Ort sind - was die praktische Seite der Ökumene betrifft (die theologische sowieso) - verunsichert. Wie kann man diesen helfen?
Apostel V. Kühnle: Ja, wir dürfen nicht verkennen, dass einige Amtsträger und Glaubensgeschwister dadurch verunsichert sind. Dem wirken wir durch Vermitteln von Hintergrundwissen durch die Kirche - nicht durch selbsternannte "Botschafter" wie z.B. "Glaubenskultur" u.ä. - bewusst entgegen.
GlaubensKultur: Wir sind ja auch froh, wenn die Kirche mehr Informationen gibt. Aber was heißt das in diesem Fall konkret?
Apostel V. Kühnle: Wir haben ja schon einige Artikel zu diesem Thema in der Zeitschrit "Unsere Familie" veröffentlicht. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht verkennen, dass dieses Thema bei manchen immer noch eine gewisse Besorgnis auslöst. Daher wäre eine überflutung der Amtsträger hier auch nicht hilfreich. Es erscheint mir auch an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass der Auftrag der Projektgruppe "Ökumene” darin besteht, zu prüfen, inwieweit Verträglichkeit zwischen wesentlichen Lehraussagen der Neuapostolischer Kirche und der Idee der Ökumene besteht. Im Kommuniqué über die Gespräche mit der ACK Baden-Württemberg wurde dies auch deutlich gemacht und darauf hingewiesen, dass es nicht um ein Gesuch der Neuapostolischen Kirche um Beitritt in die ACK geht.
GlaubensKultur: Welche Bedeutung hat der karitative Bereich in unserer Kirche im Moment? Soll er zukünftig weiter ausgebaut werden? Gibt es dazu schon konkrete Beispiele?
Apostel V. Kühnle: Die Kirche bekennt sich seit je her zu ihrem karitativ-humanitären Auftrag. Ohne Zweifel wurde dieser Gedanke über lange Jahre hinweg jedoch in erster Linie durch die Mitglieder praktiziert. In den letzten Jahren erfolgt ein verstärktes Engagement der Kirche als Institution, nicht nur in "Drittwelt-Ländern", sondern auch in Europa. Wir haben uns allerdings entschlossen, hierzu keine eigene Infrastruktur aufzubauen, sondern das bestehende Netzwerk im Rahmen unserer Möglichkeiten finanziell zu unterstützen. Nach meinem Verständnis muss gerade hier ein weiterer, angemessener und gezielter Ausbau im Rahmen unserer Möglichkeiten angestrebt werden. Im übrigen gibt es bei uns in der Gebietskirche Süddeutschland seit Jahren das "Missionswerk", über das dieser Auftrag durchgeführt wird. In einigen anderen Gebietskirchen gab es vergleichbares. Und seit Anfang diesen Jahres ist nun ja auch der Förderverein "NAK-karitativ" bundesweit tätig.
GlaubensKultur: Nun haben Sie schon längere Zeit Erfahrungen mit dem Thema Ökumene in unserer Kirche gesammelt. Fühlen Sie sich nicht manchmal als "progressiven Aussenseiter"?
Apostel V. Kühnle: Ich fühle mich keinesfalls als "progressiver Aussenseiter"! Ich bin im Auftrag des Stammapostels im Einvernehmen mit der Bezirksapostelversammlung tätig und versuche diese Aufgabe in Sorgfalt nach bestem Wissen und Gewissen und mit Begeisterung zu erfüllen.
GlaubensKultur: Apostel Kühnle, vielen Dank für dieses Gespräch. Das Interview führte Michael Koch am 24.12.02 via e-Mail/Telefon.
© Magazin GlaubensKultur.de - Wuppertal, 2002
Abdruck mit freundlicher Genehmigung.